Die Vorstellung, sich durch die Art der Verwendung der Heilpflanzen im Mittelalter lange vergessene Wirkungen und Anwendungen anzueignen, entspringt einer falschen Vorstellung von dieser Zeit.
Mit der Unterwerfung der Sachsen durch den christlichen Frankenkönig Karl dem Großen, im 8. Jahrhundert wurde unsere alte animistische Kultur ausgelöscht. Ersetzt wurde sie durch römisches Stadtwesen und christlichen Glauben, in denen das Streben nach materiellen Werten den Glauben an die Allbeseeltheit der Natur ersetzten.
In der Folge spielten auch die Heilpflanzen im Mittelalter keine besondere Rolle mehr. Ganz im Gegenteil wurden Heilpflanzenkundige verfolgt. Die Pflege und Bewahrung alter Bräuche und Traditionen wurde mit dem Tode bestraft.
Das Mittelalter – Vom Leben mit der Natur zum Leben über der Natur
Auf meinen Kräuterwanderungen erzähle ich oft alte Geschichten über die Pflanzen, denen wir begegnen. Dabei entsteht sehr oft der Eindruck, ich würde vom Mittelalter sprechen. Doch ich spreche über die Frühzeit vor dem Mittelalter. Einer Zeit in der jede Pflanze als gleichwertiges Lebewesen betrachtet wurde. Eine Zeit aus der unsere alten Märchen stammen.
Lese ich in meinen alten Büchern über die Heilpflanzen im Mittelalter, dann wird sehr schnell deutlich, dass wohl noch der tief verwurzelte, animistische Glauben im Volk steckte, die gelebten Werte sich jedoch längst davon gelöst hatten. So wundert es auch nicht, dass im Mittelalter die größten Umwälzungen stattfanden.
Ein gesundes Leben durch Heilpflanzen im Mittelalter?
Stellen Sie sich das Mittelalter nicht romantisch vor. Als ich im Jahre 2000 ein Jahr in Nordindien lebte, bekam ich einen Eindruck, wie die Menschen wohl im Mittelalter gelebt haben mochten. Die Flüsse voll mit Fäkalien, Farbe und Schwermetallen. Man hatte schliesslich von den Römern gelernt, in Städten zu leben. Im besten Fall gab es eine Kanalisation, die alles in den nächsten Fluss leitete. Im schlechteren Fall lief es durch die Gassen. Ganz nach dem Grundsatz: “Aus den Augen aus dem Sinn”.
Die Natur wurde nur noch als Ressource betrachtet um schöpferisch tätig zu sein, wovon heute in nahezu jedem Ort eine Kirche zeugt. Man meinte die Natur verbessern zu können. Sie zu vervollkommnen.
Noch heute gilt Philippus Theophrastus Aureolus Bombastus von Hohenheim, der Ihnen wahrscheinlich als Paracelsus bekannt ist, als Wunderheiler, der sich im Mittelalter bestens mit Heilpflanzen auskannte. Paracelsus war davon überzeugt, dass die Natur unvollkommen sei und durch den Menschen vervollkommnet werden müsse. Den größten Wert legte Paracelsus auf die Alchemie. Nach seinem Verständnis basierte Krankheit auf einem Ungleichgewicht der drei, den Körper ausmachenden, Grundsubstanzen Schwefel, Quecksilber und Salz. Eine Heilung sah er in der Gabe der jeweiligen Substanz, um das Ungleichgewicht auszugleichen. Als Hermetiker baute Paracelsus auf das Prinzip der wechselseitigen Übereinstimmungen zwischen dem Menschen als Mikrokosmos und der Welt als Makrokosmos. Paracelsus stellt also einen Übergang zwischen “Moderne” und traditioneller Heilkunde dar. Die Verabreichung isolierter Substanzen und der Glauben, die Natur verbessern zu können, machten Paracelsus zum Vorreiter der modernen Medizin. Seine hermetische Sicht verbanden ihn mit der traditionellen Heilkunde, in der der Mensch als individuelles, ganzheitliches Wesen betrachtet wird. Paracelsus starb, wie man heute weiss, an einer Quecksilbervergiftung. Ihm folgten viele weitere Quacksalber.
Sie können sicher bereits absehen, worauf ich hinaus möchte. Die noch vorhandenen Kenntnisse über Heilpflanzen im Mittelalter entstammten einer anderen Zeit. Im Mittelalter glaubte man längst die Natur verbessern zu können und legte den Grundstein für unser heutiges Denken. Nur frage ich Sie. Wie sollte man ein sich im Gleichgewicht befindliches Wunderwerk verbessern können? Man bringt es einzig aus dem Gleichgewicht und damit zu Fall.
Wo sind all die alten Bäume und Blütenwiesen hin?
Wenn ich hier in den Bergen durch die scheinbar unberührten Wälder streife, dann könnte diese Vorstellung der Unberührtheit falscher kaum sein. Den Großteil des Baumbestandes bilden Fichten, die nur deshalb gepflanzt wurden, um sie nach wenigen Jahrzehnten ernten zu können. Sie lesen richtig. Unsere Wälder sind keine Wälder mehr. Es sind Plantagen, die bewirtschaftet werden. Ehemals standen hier vornehmlich Buchen, die bereits im Mittelalter nahezu komplett abgeholzt wurden, um sie anschliessend durch schnell wachsende Fichten zu ersetzen.
Die bunten Bergwiesen die noch vor wenigen Jahrhunderten so zahlreich vorhanden waren, dass dieses Gebiet hier als Olitätenland galt und Buckelapotheker die daraus gefertigten Arzneien in die ganze Welt trugen, sind längst artenarmen Bergwiesen gewichen. Denn wichtiger als die bunten, mit Heilpflanzen überladenen, wunderschönen Wiesen war den Menschen Weidegras, zur schnellen Mast des Viehs. So spielten Heilpflanzen im Mittelalter bereits nur dann eine Rolle, wenn sie sich versilbern liessen.
Die Buchen fielen bereits dem Bedarf nach Holz im Mittelalter zum Opfer. Die letzten Bergwiesen wichen hier den ökonomischen Interessen der damaligen DDR.
Sie fragen sich jetzt vielleicht worauf ich hinaus will.
Heilpflanzen von der Frühzeit bis ins Mittelalter
Sie haben sicher schon bemerkt, dass Sie bei Antik News viele Informationen finden, die sehr alt sind. Ja der Schwerpunkt liegt nur auf diesen alten Überlieferungen. Zwar beziehe ich mich mit Hieronymus Bock, Matthiolus, Brunfels, Fuchs oder Tabernaemontanus auf die Heilkundigen des ausgehenden Mittelalters und der beginnenden Renaissance, doch nutze ich vornehmlich die Niederschriften, die sich mit den Gebrauch der Heilpflanzen im Mittelalter durch die Überlieferungen beschäftigen. Ohnehin kopierten die alten Ärzte und Botaniker zu großen Teilen die schriftlichen Überlieferungen aus der Antike von beispielsweise Plinius oder Dioskurides.
Wenn Sie am wirklichen Wissen an unseren alten Heilpflanzen interessiert sind, dann suchen Sie nicht im Mittelalter. Sie finden viel über die Heilpflanzen in unseren alten Bräuchen, in unseren Märchen und in unserem animistischen Glauben. Und betrachten Sie die Heilpflanzen nicht nach ihren Inhaltsstoffen oder danach ob sie vermeintlich giftig oder ungiftig wären. Sehen Sie die Pflanzen als Wesen die sehr vielfältig auf Sie wirken und das nur aus einem einzigen Grund. Sie und diese Pflanzen entstammen dem selben Ursprung.
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Gottfried Wieder meint
Guten Morgen,
zunächst freue ich mich außerordentlich Deine Seite über Heilpflanzen wieder gefunden zu haben. Ich war bereits tief enttäuscht festzustellen das Ololiuqui nicht mehr existiert. Viel habe ich nicht gelesen aber was ich las hat mich inspiriert.
In meinem Garten pflege ich (auch) die Kultur alter, heimischer Pflanzen, (nicht nur wegen ihres Nutzens). Dazu hat Deine Seite beigetragen.
Ich werde mir jetzt mehr Zeit nehmen die Früchte Deines Wissens zu studieren und zu teilen.
Die Arbeit der “Mobile Optikerin” konnte ich vor einigen Jahren bereits kennen lernen und habe mir von ihr zwei Brillen fertigen lassen. Ich kann mich aber nicht erinnern in Oberweißbach gewesen zu sein.
Zu meiner Person, ich bin selbstständiger Physiotherapteut in Bad Füssing und ich fühle mich der Natur und meinen Patienten verbunden.
Danke für diese außerordenliche Fleißarbeit.
Gottfried Wieder
Kai Hagemeister meint
Vielen Dank für Deine lieben Worte. Die Seite Ololiuqui ist jetzt in der Seite antik.news integriert. Genauso wie die Seiten Pflanzenguru und das Ziegenlexikon. Leider ist diese Seite nicht mehr so einfach zu finden, nachdem Google sie abgestraft hat. Grund ist, dass ein privates Unternehmen wie Google der Meinung ist, dass nur Ärzte oder Apotheker über Pflanzen schreiben dürfen. Da hilft auch kein Biologiestudium um nicht mit auf der Sanktionsliste zu landen. “Schöne neue Welt…”