Yggdrasil nimmt in der Vorstellungswelt unserer Ahnen die wohl wichtigste Stellung ein. Der Volkskundler und Mythologe Johann Wilhelm Emanuel Mannhardt vermutet im Holunder den Weltenbaum Yggdrasil, der in der Völuspá zur Esche umdeutet wurde. Ein Argument für diese Vermutung liefert die Verwendung der geräucherten Früchte des Weltenbaumes als geburtshilfliches Mittel. Ein weiteres die Bedeutung, die der Holunder im Glauben unserer Ahnen einnimmt.
Der Holunder heiliger Baum und Sitz der Frau Holle
Der Holunder ist in der Vorstellungswelt unserer Ahnen in der Lage Mensch und Tier zu schaden. Er kann Krankheit durch Elben senden, sie jedoch auch nehmen. An seinen Wurzeln sitzen die drei Nornen die im christlichen Abendland zur Großmutter des Teufels, Frau Holle umgedeutet wurden. Jegliches Schlechte soll der Holunder in seinem Umkreis hinunterziehen, in eine Hölle, dem Reich der Holle.
Allerdings sollte man sich diese Hölle nicht so vorstellen, wie es das Christentum darzustellen suchte. Das Märchen Frau Holle gibt eine weitaus naheliegendere Beschreibung. Frau Holle verkörpert die Erdenmutter und umspannt als himmlische Göttin die Erde. In dem Märchen Frau Holle steigt Goldmarie in die Tiefe hinab um im Himmel anzukommen. Frau Holle ist niemand geringeres als die Göttin Freya deren Baum der Holunder ist, den man auch als Holler bezeichnete.
Meine Großmutter begrüßte den Holunder noch mit Frau Elhorn und vermied es ihn zu verunreinigen oder gar zu schneiden. Sie wusste, der Holunder ist heilig und wer ihm schadet, den plagen hernach Krankheit und Tod.
Doch genauso wusste sie zu berichten, dass der Holunder von Krankheit und Leid befreit. Er zieht alles Schlechte an. Dafür reichte es aus, es dem Holunder mit einer Zeremonie und einem geeigneten Spruch zu übergeben. Insbesondere Fieber und Gicht nahm er den geplagten Menschen ab und befreite sie von ihrem Leid.
An Tagen wie dem St.-Johannis-Tag ass man um 12:00 Uhr mittags unter der Feueresse eine in Butter gebratene Holunderdolde, um das ganze Jahr über vor Fieber gefeit zu sein. Und auch als Schutz vor Hexen und bösen Zauber schützte der Holler, wenn er vor das Haus oder den Stall gepflanzt wurde.
Der Holunder Ahne der Menschen
Es wird den Leser seltsam anmuten, aber ich würde soweit gehen, dass der Holunder unseren Ahnen darstellt.
Im animistischen Glauben ist der Mensch aus den Pflanzen hervorgegangen. So werden Askr und Elmja, Esche und Ulme, als die Bäume angesehen, aus denen sich Mann und Frau bildeten. Später wurde diese Vorstellung dahingehend umgedeutet, dass Odin, Thor und Loki zwei Baumstämme finden, denen sie Leben einhauchten. Wie bereits geschrieben, wurde der Holunder zur Esche umgedeutet. Allein diese Schlussfolgerung kann die Bedeutung erklären, welche sich in unserem alten Volksglauben für den Holunder wiederfindet.
Und auch die Geschichte, dass die drei Götter zwei angeschwemmten Baumstämmen das Leben einhauchten, wurde umgedeutet. Dass solch eine nachträgliche Umdeutung stattfand, legt der Vergleich mit anderen Schöpfungsgeschichten nah. So entstanden nach den Vorstellungen der Eranier, im damaligen Zentralpersien, Mann und Frau aus der Reivapflanze, dem persischen Rhababer. In der Mitte ein Stamm, sich um die Köpfe umarmend war diese Pflanze vollkommen und eins. In sie goß Ahuramazda die Seele hinein, so dass die ersten Menschen, Maschia und Maschiâna aus ihr hervorgingen. Was eins und vollkommen war, trennte sich an dieser Stelle. Eine Vorstellung, die bis in unsere Zeit reicht. Denn noch heute spricht man von der zweiten Hälfte und der Verbindung zur ehemals vorhandenen Vollkommenheit, wenn man den richtigen Partner findet.
Ähnliche Vorstellungen finden sich in den meisten alten Kulturen. Bei den Sioux beispielsweise, trennte eine Schlange die Wurzeln von zwei Bäumen. Sie wandelten daraufhin als Menschen hinfort.
In der Vorstellungswelt unserer Ahnen ist der Mensch ein Baum und der Baum ein Mensch. Der Baum stellt den Ursprung unserer Schöpfung dar und verkörpert ein geheimnisvolles und magisches Wesen. Der Holunder ist das magischste dieser Wesen und das Zentrum unseres Seins.
Der Holunder in der Heilkunde unserer Ahnen
Den Holunder ist wohl unzweifelhaft die lebendige Hausapotheke des deutschen Einödbauern. Unsere Ahnen verwendeten ihn zur Behandlung von Fieber, Erkältung, Mund- und Halskrankheiten, Wassersucht, Nieren- und Blasenleiden, Steinleiden, Rheuma, Gicht, Hautkrankheiten und Atemwegserkrankungen. Er galt als blutreinigend, entkrampfend bei Krämpfen im Bauch und Unterbauch.
Bereits im 16. Jahrhundert wundert man sich jedoch bereits über die recht spärliche Beschreibung, die man ihm widmet. Hieronymus Bock schreibt beispielsweise, dass der Holunder so bekannt und beliebt im Volke sei, dass es keiner genaueren Beschreibung bedarf. Selbst seine zu dieser Zeit einzigartige, botanische Beschreibung, fällt für eine Pflanze mit solcher Bedeutung sehr dürftig aus. Den Holunder empfiehlt er innerlich bei Wassersucht. Vornehmlich die Wurzel werde hierzu in Wein gekocht.
Menschen mit schwacher Konstitution empfiehlt er die schwächer wirkenden, im Lenz gesammelten, Blätter. Äusserlich empfiehlt er Holunderwasser bei Sonnenhitze auf die Haut aufzutragen. Bei Schlangenbissen, Fisteln oder faulen Schäden, solle man die grünen Blätter auftragen, wobei hierfür auch das gebrannte Wasser aus den Blüten nützlich sei. Die zerdrückten Blätter führt er als schmerzlindernd beim Gichtzeh an und empfiehlt die reifen Beeren zum schwarzfärben der Haare.
Ein besonders hilfreiche Rezeptur empfiehlt Bock bei Ischiasbeschwerden. Holundersaft mit Portwein gemischt, im Verhältnis 2 Teile Holundersaft und ein Teil Portwein, soll Ischias in wenigen Tagen heilen.
Die Blütenabkochung nutzte man als Mittel zur Schweißerzeugung, bei Fieber, Erkältungs- und Hautkrankheiten, sowie als Gurgelmittel bei Mund- und Halskrankheiten. Die Rinde und die Blätter als blutreinigenden, abführenden, harntreibenden Tee.
Ein aus dem Blüten oder der Wurzel bereitetes Öl diente als Brechmittel.
Bei der Verwendung des Holunders sollte man sich an die Vorstellungswelt unserer Ahnen halten. Er kann Krankheit senden aber auch heilen. So können frische, ungekochte Holunderbeeren und Holunderrinde Vergiftungserscheinungen hervorrufen. Frische Holunderblüten können Reizungen auf der Haut hervorrufen.
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Bülent meint
Hallo,
ich bin seit einiger Zeit auf dem Weg des Kräuterschamanen und habe mit dem Holunder interessante Erfahrungen gemacht…wir nutzen ihn gegen ankommende Erkältungs – und Grippekrankheiten.Immer wenn sich im Hals oder in der Nase eine Infektion ankündigt, machen wir Tee aus den getrockneten Holunderblüten.Wir waren schon lange nicht mehr richtig krank -)
Grüße Bülent