Die Birke ist neben der Espe und der Kiefer einer der ersten Bäume, die sich nach der letzten Eiszeit auf dem Boden des späteren Gebietes, unserer germanischen Vorfahren ansiedelte. Unsere Vorfahren muss die Birke beeindruckt haben. Sie wächst noch in den kältesten nördlichen Regionen und zeigt ihre Kraft selbst dann noch, wenn ringsherum jegliches Pflanzenleben erloschen ist. Dabei wirkt ihre weiße Rinde rein und schön. Die Birke war und ist das Sinnbild des Frühlings und der wiedererwachenden Natur.
Die Birke in der Vorstellungswelt unserer Ahnen
Es ist anzunehmen, dass die Germanen die Birke als ein beseeltes Wesen verehrten. Eine Verehrung, die sich bis in die heutige Zeit in Form von Sagen erhalten hat. Zum Pfingstfest schmückte man die Häuser mit frischen, grünen Birkenzweigen. Die später getrockneten Birkenblätter mahlte man nach dem Fest zu Pulver und gab es dem Vieh zum Fressen. Das Vieh, so glaubte man, wurde durch die Birkenblätter das ganze Jahr von Krankheit verschont. Ein sehr schöner Brauch vertreibt die Hexen in der Walpurgisnacht. Man stellte eine kleine Birke oder Birkenzweige vor Haus und Stall und blieb vor den Hexen verschont. Grund für diesen Schutz sollte die Liebe der Hexen zum Zählen sein. Eine Hexe könne, so glaubte man, nicht einfach an solch einer Birke vorbei gehen. Sie würde ihrer Zählsucht verfallen und all die frischen kleinen Birkenblätter zählen wollen. Man kann sich denken, dass sie damit die ganze Nacht über beschäftigt war und am Morgen war der Spuk vorbei. Die Birke schützte aber nicht nur vor Hexen, sondern auch vor Blitz und Unwetter. Dazu reichte es bereits, Birkenzweige in’s Feuer zu schmeißen, sobald ein Gewitter aufzog. Die Birke wurde auch als Orakel-Baum genutzt. So konnte eine Jungfrau sich vorhersagen lassen, ob sie mal einen reichen Mann heiraten würde. Dazu musste sie am Vorabend des Johannistags drei Birkenzweige pflücken. Einen befreite sie komplett von der Rinde. Den Zweiten befreite sie zur Hälfte von der Rinde, den Dritten liess sie, wie er war. Alle drei Zweige legte sie sich die Nacht über unter das Kopfkissen. Am nächsten Morgen zog sie einen der Birkenzweige unter dem Kissen hervor. War es der ohne Rinde, würde sie mal einen armen Mann heiraten. Der Birkenzweig mit der Rinde bürgte für einen reichen Mann. Der halb geschälte Zweig versprach die goldene Mitte.
Der Birkenbesen
Eine besondere Rolle ,in der Vorstellungswelt unserer Ahnen, spielte der Birkenbesen. Er war eine wahre Wunderwaffe. Bereits das Legen dieses Besens, auf die Türschwelle, sollte alle Bösen zu Fall bringen. Noch wirkungsvoller wäre ein Schlag mit dem Besen. Selbst den Wind konnte man laut Sage mit solch einem Besen beeinflussen. So reichte es, einen Birkenbesen in die Richtung zu werfen, aus der der Wind kommen sollte. Die Schiffer der Weser und Elbe waren überzeugt davon, dass man mit einem Birkenbesen den Wind drehen konnte. Aber auch vor Krämpfen sollte solch ein Besen seinen Besitzer bewahren können. So schreibt Konrad von Megenberg 1482:
Birkenblätter
Solch ein Birkenbesen ist nicht jedermanns Sache. Wer solch einen ästigen Gesellen nicht im Bett haben wollte, nahm sich die Blätter der Birke mit ins Bett. Die Blätter sollten dem Schlafenden die Gicht nehmen und ihm allgemein gute Gesundheit schenken. Sehr verbreitet ist auch das schlagen mit jungen Birkenzweigen. Wer von solch einem Zweig getroffen wurde, dem sei die Gesundheit sicher. Es gibt unzählige weitere Sagen und Bräuche um die Birke. Sie alle zeigen, welche Bedeutung der Baum des Erwachens für unsere Vorfahren hatte. Wen verwundert es bei solch einem zauberhaften Baum, dass die Germanen aus ihm auch einen Schönheits- und Stärketrank gewannen.
Die Birke in der Heilkunde
In den Schriften der alten Griechen und Römer wird die Birke nicht erwähnt. Einzig Plinius bezeichnet sie als gallica arbo und widmet ihr einen kurzen Abschnitt, wobei er nicht auf die Heilwirkung eingeht. Im Mittelalter findet sich die Birke in den meisten Kräuterbüchern. Während die Äbtissin Hildegard von Bingen lediglich die Birkenrinde als wundverschließendes Mittel erwähnte, widmeten Lonicerus, Hieronymus Bock, Matthiolus und Tabernaemontanus der Birke eine ausführliche Beschreibung.
Tabernaemontanus
Die Birke in der Sympathielehre
Verbreitet war auch die Übertragung der Gicht auf die Birke in der Sympathielehre. Dazu musste der von Gicht geplagte vor Sonnenaufgang zu einer Birke gehen, sie schütteln und folgende Bitte aussprechen:
Botanik
Der Begriff Birke bezeichnet eine Gattung, die ca. 50 Arten umfasst. Allen gemein sind der Aufbau der Blüten und Früchte. Bei den meisten Birken ist die Rinde auffällig hell bis weiß. Die meist genutzte Weißbirke, auch warzige Birke oder Rauhbirke genannt, ist ein schlanker, bis zu 25 Meter hoher Baum aus der Familie der Birkengewächse. Die Rinde der ist schneeweiß mit schwarzrissiger Borke. Die jungen, biegsamen Zweige sind dicht mit Drüsenwarzen besetzt. Die Blätter sind dreieckig, zugespitzt, doppeltgesägt, klebrig und kahl. Die Fruchtkätzchen sind hängend, walzlich, ziemlich dick und braun. Die Birke blüht von April bis Mai.
Bezeichnungen
Die Bezeichnung Birke leitet sich vermutlich aus dem Sanskrit bharg -> strahlender Glanz ab und verweist damit auf die strahlend helle Rinde der Birke. Wissenschaftlich wird die Birke als Betula alba, Betula pendula oder Betula verrucosa bezeichnet. Die Artbezeichnung alba bezieht sich, wie der Name Birke, auf die weiße Rinde. Verrucosa nimmt Bezug auf die Drüsenwarzen der jungen Birkenzweige, verrucosa -> warzig.
Heilanzeige
Die Birke wird in der Heilkunde zur Behandlung von Blasenleiden, Steinleiden, Harnsäureansammlungen, Gicht, Rheuma, Blasenkatarrh, Hauterkrankungen, insbesondere Hauterkrankungen, die durch Soffwechselstörungen verursacht werden, Galleleiden, Gelbsucht, Fettleibigkeit, Arterienverkalkung, Beinschwellung, Wassersucht, Würmern, Wechselfieber, Skorbut, Gries und Verschleimung angewendet. Birkenblätter dienen als Tabakersatz und sind ein ausgezeichnetes Diuretikum, das keine Reizwirkung auf das Nierenparenchym ausübt.
Anwendung und Wirkung der Birke
Verwendet werden die im Frühjahr gesammelten Knospen und Birkenblätter sowie die Birkenrinde und der Birkensaft. Ein aus den Birkenblättern bereiteter Birkentee ist die gebräuchlichste Art der Verwendung.
Birkenblättertee
Für einen Birkenblättertee werden die jungen Knospen und die jungen Blätter verwendet. Birkenblättertee ist schon seit alters her ein gut wirkendes, harntreibendes, blutentsäuerndes und blutreinigendes Mittel. Für einen Tee wird ein Eßlöffel Blätter mit 200ml kochenden Wasser übergossen und 15 Minuten ziehen gelassen. Von diesem Tee trinkt man täglich 3 bis 4 Tassen zwischen den Mahlzeiten. Bei Nierenleiden oder Wassersucht empfiehlt Oertel, 100g Blätter in 1 1/2 Litern kalten Wasser anzusetzen und aufzukochen. Anschließend 2 Stunden ziehen zu lassen und tagsüber kleine Tassen von diesen Tee trinken. Die Blätter der Trauerbirke werden von Oertel als die wirksamsten bezeichnet, insbesondere bei Gallenleiden, Gelbsucht, Rheuma, Gicht und Steinen. Bei Würmern ist der Birkentee ebenfalls wirksam. Am besten unterstützt duch Essen von Mohrrüben, die ebenfalls wurmtreibend sind, sowie Schwarzbrot.
Prof. Winternitz empfiehlt ähnlich wie Oertel, die Blätter der Birke nicht nur mit kochendem Wasser zu überbrühen. Er gibt an, dass 30 g Birkenblätter mit 200 ml kochenden Wasser übergossen und kurz gekocht werden sollten. Anschliessend sollte der Birkentee mindestens 2 Stunden ziehen. Von diesem Tee sollten bei entsprechender Indikation 2 bis 3 Tassen täglich getrunken werden.
Kroeber über den Birkentee
Ernst Meyer aus dem Buch, Pflanzliche Therapie:
Ein Bad in einem Sud aus Birkenblättern soll nach Matthiolus sehr hilfreich gegen Hautkrankheiten sein.
Birkenrindentee
Birkenrindentee wird vornehmlich zur Behandlung von Wechselfieber eingesetzt.
Birkensaft
Der Birkensaft ist von alters her sehr beliebt. Martin Mylius schrieb 1621:
Martin Mylius weist in diesem kleinen Gedicht bereits darauf hin, dass der Birkensaft nur im Frühling gewonnen werden kann. In den Kräuterbüchern von Hieronymus Bock und Matthoilus liest man erstaunliches über die Wirkung des Safts. So schreibt Hieronymus Bock:
Birkensaft in der Heilkunde
In der Heilkunde nutzt man noch heute den Birkensaft als Mittel gegen Auszehrung, Rheuma, Gelbsucht, Steine und Lungenleiden. Darüber hinaus dient der Saft als Frühjahrskur und wird als besonders hilfreich bei Skorbut, chronischen Hautausschlägen, Verschleimung oder Gries beschrieben. Äusserlich gebraucht man Birkensaft zur Beseitigung von Hautflecken oder Altersflecken.
Birkensaft zapfen
Um den Saft zu gewinnen, muss der Baum angebohrt werden. Dazu wird einen Meter über dem Erdboden ein Loch in die Borke gebohrt. In das Loch wird ein Röhrchen gesteckt und darunter ein Gefäß gestellt, um den Saft aufzufangen.
Nach dem zapfen des Saftes muss das Loch mit Baumharz verschlossen werden. Gut eignet sich das Harz von Nadelbäumen, das in das Loch gedrückt wird. Aussen wird es mit Feuer erwärmt und verstrichen, so dass die kleine zugefügte Wunde fest verschlossen ist.
Zum Schluss sollte man dem Baum für den entnommenen Lebenssaft danken.
Um den Birkensaft haltbarer zu machen, werden jeder Flasche 4 bis 6 Gewürznelken und etwas Zimt hinzugefügt. Alternativ können sie ihn zu einem Birkenwein vergären lassen. Von dem Birkensaft nimmt man täglich 4 bis 6 Eßlöffel.
Wird dem Saft verdünnte Arnikatinktur hinzugefügt, erhält man ein sehr gutes Haarwasser.
Madaus über den Birkensaft
Tabak
Birkenblätter werden traditionell als Tabakersatz genutzt.
Birkensud
Ein Sud aus den Birkenblätter wird äußerlich zur Behandlung von Krätze oder Grind eingesetzt. Getrunken soll ein Birkensud, nach Hugo Schulz, Vorlesung über die Wirkung und Anwendung der deutschen Arzneipflanzen, eine ausgezeichnete Arznei gegen chronische Hautkrankheiten sein.
Birkenblätter gegen Rheuma
Die Blätter nutzte man traditionell auch äußerlich als ein stark schweißtreibendes Mittel bei Rheuma. Dazu wurden die von Rheuma geplagten mit frischen Birkenblättern ummantelt. Um diese dicke Schicht von Birkenblättern wickelte man eine Decke. Nach Überlieferung ist es ein ausgezeichnetes Mittel.
Rezepte nach Madaus
Kneipps Wassersuchtstee
- Rp.:
Birke bei Blasenhalsentzündung (nach H. Meier)
- Rp.:
Birke bei Gicht und Rheuma (nach Kroeber)
- Rp.:
Birke als Frühjahrskur (nach Meyer)
- Rp.:
Birke bei Grieß- und Steinleiden (nach Dinand)
- Rp.:
Oder
- Rp.:
Birke bei Magen- und Darmkolik (nach Wagner)
- Rp.:
Birke in der Schulmedizin
Der Birke wird aufgrund der in ihr enthaltenen Saponine eine harntreibende Wirkung zugeschrieben. Sie wird als Durchspülungstherapie bei leichetn bakteriellen und entzündlichen Harnwegserkrankungen und zur Vorbeugung von Gries, Rheuma und Harnsteinen verwendet.
Behandlung gegen Krebs
Aus der Rinde der Birke wird Betulinsäure hergestellt. Betulinsäure wird in der evidenzbasierten Schulmedizin zur Krebsbehandlung eingesetzt, denn Betulinsäure soll in der Lage sein, bei Tumorzellen den programmierten Zelltod auszulösen.
Birkenpollen
Birkenpollen stellen aus Sicht der evidenzbasierten Medizin ein hochpotentes Allergen dar. Persönlich neige ich zu der Ansicht, dass eine Pollenallergie auf eine unglückliche Seele hinweist. Dafür spricht, dass Pollenallergiker oft Besserung erfahren, wenn sich in ihrem Leben glückliche Veränderungen einstellen. In der Volksheilkunde nutzte man die Gabe von Birkensaft zur Minderung der Birkenpollenallergie.
Gegenanzeigen und Nebenwirkungen
Bei massvoller Verwendung sind keine Nebenwirkungen bekannt.
Anbieter und Preis
Birkenblätter und Birkensaft können Sie leicht selber sammeln beziehungsweise gewinnen. Trotzdem sollte der Saft besser im Handel gekauft werden. Birkensaft können Sie in Apotheken kaufen. Mittlerweile wird Birkensaft auch in Drogerien und Supermärkten als Novell Food angeboten.
Der Kräuterhandel bietet Knospen, Rinde und Blätter zum Kauf an. 100g Birkenblätter können Sie für durchschnittlich 2 Euro kaufen. 100g Birkenknospen kosten durchschnittlich 10 Euro. 100g Birkenrinde kosten im Schnitt 3,50 Euro. 100 ml Birkenblättertinktur sind für durchschnittlich 5,50 Euro erhältlich.
Inhaltsstoffe
Saponine, ätherisches Öl mit 25% Betulol. Harz, das den Butylester der Betuloretinsäure darstellt, Gerbstoff, weinsaures Kali, Betulinsäure, Betularesinsäure.
(1.742 mal besucht, 2 mal heute)
Anna Liebl meint
Wunderbarer Artikel, sehr ausführlich und mit vielen Details die ich sonst noch nirgendwo gelesen hab. Dankeachön 🙂