Die Pestwurz kann auf eine lange Geschichte als Nutzpflanze zurückblicken. Im Hallstatter Salzberg aufgefundene gebündelte Laubblätter der Pestwurz weisen auf eine prähistorische Benutzung hin. Heute glaubt man nachweisen zu können, dass die Blätter der Pestwurz bereits 2000 Jahre vor unserer Zeitrechnung als Toilettenpapier genutzt wurden. Man braucht nicht viel Phantasie um sich vorstellen zu können, dass die Blätter auch anderweitig genutzt wurden. Dreht man die großen Blätter um, kann man sie als Hut verwenden, der sowohl Sonnenschutz als auch Regenschutz bietet. Eine Verwendung die heute noch üblich ist. Ob die Pestwurz bereits als Heilpflanze genutzt wurde, kann man schwerlich nachweisen. Es schein mir jedoch sehr wahrscheinlich. Hatten doch unsere Ahnen eine weitaus intensivere Beziehung zur Natur und damit ein intuitives Wissen über die Wirkung der Pflanzen.
Gesichert ist, dass die Pestwurz von den alten griechischen Ärzten des 1. Jahrhunderts medizinisch genutzt wurde. Sie nutzten die Blätter fein gestossen als Umschlag gegen bösartige und krebsige Geschwüre. Wen wundert es da, dass man diese Heilpflanze in den meisten Kräuterbüchern des Mittelalters und der Renaissance wiederfindet? Sind es doch die Bücher von Dioskurides oder Galenus auf die sich die Ärzte und Kräuterkundigen der Renaissance vornehmlich stützten. Die Äbtissin Hildegard von Bingen empfahl die Pflanze bei Atemwegserkrankungen wie Husten, Bronchitis oder Asthma. Hieronymus Bock lobte die Pestwurz als gutes schweißtreibendes Mittel und schrieb 1539 über sie:
Hieronymus Bocks Schüler, Jacobus Theodorus, der sich selber Tabernaemontanus nannte, schrieb später sowohl über die Verwendung der Pestwurz als Heilmittel bei Atemwegsbeschwerden als auch über die Verwendung als Kraut gegen die Pestilenz, Leibschmerzen, ausbleibende Regelblutung und Harnverhalten:
Im 18. Jahrhundert empfahl Haller die Pflanze als herzstärkende und gifttreibende Arznei. Im 19. Jahrhundert weist Grot auf die botanisch nah stehende Beziehung der Pestwurz zum Huflattich hin. Er schlussfolgert aus Untersuchungen von Rosenthal, dass Pestwurz ähnlich wie der Huflattich einen Wirkstoff gegen Husten enthalten müsse.
Anfang des 21. Jahhunderts wies man in Studien eine Wirkung gegen Migräne und Allergien wie Heuschnupfen nach. Wobei Pestwurz ähnlich wie Mutterkraut nicht als Akutmittel bei Migräne hilft, sondern vorbeugend über einen längeren Zeitraum eingenommen werden muss, um eine Wirkung zu erzielen.
Botanik
Der Name Pestwurz bezeichnet eine Pflanzengattung, die zur Familie der Korbblütler gehört. Wichtigster Vertreter, aus medizinischer Sicht, ist die Gemeine, auch rote oder Gewöhnliche Pestwurz genannt. Sie wird wissenschaftlich als Petasites officinalis oder Petasites hybridus bezeichnet. Erstere Bezeichnung zeigt, dass die Pflanze als Heilpflanze eingestuft wurde.
Bei der Roten Pestwurz zeigen sich ähnlich wie beim Huflattich, der mit der Pestwurz verwand ist, im Frühjahr zuerst die Blüten, bevor sich die Blätter entwickeln. Die Blüten bestehen aus zahlreichen rötlichen Blütenkörbchen, die eine dicke eiförmige Traube am Ende eines röhrigen, rötlich beschuppten Blütenstengels bilden. Die sich nach der Blüte bildenden Blätter sind sehr groß und langgestielt. Sie sind rundlich bis herzförmig, am Rand gezähnt und unterseits wollig. Die Blätter schmecken unangenehm bitter. Der in der Renaissance bevorzugt eingesetzte Wurzelstock ist dick und lang, mit einfachen Wurzeln.
Bezeichnungen
Dioskurides bezeichnete die Pestwurz als Petasites, griechisch pétasos -> breitkrempiger Regenhut. Eine Bezeichnung, die heute in der Wissenschaft als Gattungsbezeichnung genutzt wird. Matthiolus bezweifelte, dass es sich bei der durch Dioskurides beschriebenen Petasites um die Pestwurz handelt. Er ordnete die Pflanze daher dem Huflattich zu und bezeichnete sie als Tussilaginem maiorem. Ungeachtet dessen, wird sie heute wissenschaftlich als Petasites hybridus bezeichnet. Synonyme sind Petasites officinalis oder Petasites vulgaris.
Die Herkunft des deutschen Namens Pestwurz ist nicht eindeutig geklärt. Die Bezeichnung tauchte erstmals im Mittelalter auf. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass sie sich von der Verwendung der Pflanze gegen die Pest ableitet. Dafür spricht auch der von Bock und Theodorus gebrauchte Name Pestilentzwurtz. Trotzdem möchte ich die zweite Deutung nicht vorenthalten. So schreibt Madaus, dass auch eine volksetymologische Umdeutung von Petasites zur Bezeichnung geführt haben könnte.
Indikationen
Pestwurz wird kulturhistorisch als adstringierend, harntreibend, schweißtreibend, regulierend, wundheilend und auswurffördernd beschrieben. Man verwendete die Pflanze bei Husten, Heiserkeit, Asthma, Brustleiden, fehlender Menstruation, Rheuma, Gicht, Harnverhalten, Fieber, Epilepsie, nervöse Magenbeschwerden, gestörter Gallefluß, Leibschmerzen, Hämorrhoiden und neuerdings bei Heuschnupfen und vorbeugend gegen Migräne. Äußerlich diente das Wurzelpulver oder die zerqueutschten Pestwurzelblätter als Wundheilmittel bei Verbrennungen und bösartigen Geschwüren.
Verwendung in der Homöopathie
In der Homöopathie nutz man die Pflanze bei Gonorrhö.
Pestwurz Anwendung und Wirkung
Verwendet werden die Blätter und der Wurzelstock der Pestwurz. Kosch empfiehlt die Wurzeln im zeitigen Frühjahr zu sammeln, die Pestwurzblätter im Mai. Die evidenzbasierte Medizin empfiehlt weder Blätter noch Wurzeln zu sammeln und stattdessen Fertigpräparate im Handel zu kaufen? siehe Pestwurz aus Sicht der evidenzbasierten Medizin und Gegenanzeigen und Nebenwirkungen.
In der Volksheilkunde bereitete man aus der pulverisierten Pestwurzwurzel einen Tee, einen Teelöffel Pestwurzwurzel auf 200ml Wasser, 3 Tassen täglich. Ein Aufguß aus der Wurzel wird als schweißtreibend und entkrampfend beschrieben. Ein Aufguß aus den Pestwurzblättern, ein Teelöffel getrocknete Pestwurzblätter auf 200ml Wasser, wurde vor allem bei Atemwegserkrankungen verabreicht.
Äußerlich zerdrückte man frische Pestwurzblätter und legte sie auf schmerzende Gelenke, bösartige Geschwüre oder Wunden um die wundheilung zu fördern.
Rezepte nach Madaus 1938
Pestwurz bei Husten, Heiserkeit und Harnbeschwerden (nach Dinand):
- Rp.:
Pestwurz in der Schulmedizin
Aus Sicht der evidenzbasierten Schulmedizin ist eine krampflösende, schmerzstillende und entzündungshemmende Wirkung des Pestwurzwurzelextraktes nachgewiesen. Aufgrund nachgewiesender Pyrrolizidinalkaloide, die als leberschädigend eingestuft werden, wird aus Sicht der Schulmedizin die Verwendung von selbst gesammelten Pestwurz nicht empfohlen. Statt dessen sollte auf käufliche Fertigpräparate zurückgegriffen werden, die aus alkaloidarmen Züchtungen gewonnen werden.
In der evidenzbasierten Schulmedizin nutzt man die Pestwurz bei allergischen Schnupfen, krampfartigen Schmerzen sowie als vorbeugendes Mittel gegen Migräne.
Pestwurz Gegenanzeigen und Nebenwirkungen
Aus Sicht der Schulmedizin wird von der Verwendung der selbst gesammelten Pestwurz abgeraten. Als Grund werden in der Pflanze gefundene, als leberschädigend angesehene Pyrrolizidinalkaloide angegeben. Deren Hauptvertreter in der Pestwurz das Senecionin ist. Ähnlich wie beim Huflattich kann man sich die Frage stellen, weshalb eine Heilpflanze, die seit Jahrtausenden Verwendung findet, nicht schon eine Vielzahl von Vergiftungen hervorgerufen hat. Es ist ein Irrglaube, der Schulmedizin, einen Stoff aus einer Pflanze zu isolieren und daraufhin Rückschlüsse auf dessen Wirkung im Gesamtkomplex der Pflanze zu schliessen. Der Anteil der Pyrrolizidinalkaloide in der Pestwurz liegt bei 20 bis 30 ppm, also 0,02 bis 0,03%. Dr. med. Gedeon schrieb 1988 in der Medical Tribune Nr. 42:
Pestwurz Anbieter und Preis
Pestwurzblätter und Pestwurzwurzel kann man im Kräuterhandel kaufen. 100g Pestwurz bekommt man zum durchschnittlichen Preis von 3,50 Euro.
Pestwurz Inhaltsstoffe
Synanthrin, Inulin, Inulenin, Helianthin, Sequiterpenalkoholester wie Petasin Furanopetasin und Isopetasin, ätherisches Öl, Gerbstoffe, Cholin, Glucose, Saccharose, bis zu 0,03% Pyrrolizidinalkaloide.
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indigo meint
Toller Artikel! In der Schweiz habe ich auf Grund einer sehr guten Beratung in einer Apotheke die Pflanze Petasites officinalis gegen Heuschnupfen entdeckt und jetzt bin ich absolut begeistert.
Ich habe wirklich hypersensibel gespürt wie die Heilpflanze wirkt und
>> dann sie eröffnet fast alle Verstopffungen der innerlichen Gliedern <<
Jetzt ärgere ich mich natürlich, dass ich über viele Jahre die Präparate aus der Pharmaindustrie aus Unwissenheit eingenommen habe und das es sich noch nicht herumgesprochen hat, dass wir in Deutschland eine Zulassung der Heilpflanzenpräparate gegenüber andere Monopole benötigen.