Was dazu bestimmt ist, uns besser und glücklicher zu machen, das bietet uns die Natur offen und in großer Nähe. Ein Ausspruch, der besonders auf die Brennnessel zutrifft. Hieronymus Bock erwähnte die Brennnessel in seinem Kreutterbuch an erster Stelle und er war erstaunt darüber, wie ein so hitziges Kraut aus dem kalten Boden entspringen kann. Er beschreibt die Blätter der Brennnessel als erweichendes, wind- und harntreibendes, grimmenstillendes, aphrodisiakisches, wundheilendes Mittel und schreibt:
Aber auch vor Hieronymus Bock wurde die Brennnessel als wertvolle Heilpflanze beschrieben.
So empfiehlt sie Dioskurides bei krebsartigen Geschwüren, Verrenkungen, brandigen Wunden, Furunkeln, Geschwülsten, Drüsenanschwellungen, Nasenbluten, Milzerkrankungen, Brustfell- und Lungenentzündung, Asthma, Hautgrind, Mundkrankheiten und Hundebissen. Plinius geht ebenfalls auf die heilende Wirkung der Brennnessel ein und hebt ihre blutstillende Wirkung hervor, kann aber nicht verstehen, wie sie stechen kann. So schreibt er:
Die durch Plinius beschriebene Bissigkeit der Brennnessel war es auch, die der Brennnessel eine ganz besondere Stellung im Volksaberglauben einräumte.
Kaum ein Kräuterbuch, in den darauffolgenden Jahrhunderten, in dem die Brennnessel nicht aufgeführt wurde. Im 5. Jahrhundert erstellt Lonitzer in seinem Kräuterbuch eine Einteilung der verschiedenen Brennnesseln. Die Äbtissin Hildegard von Bingen empfahl die Brennnessel gekocht als magenreinigendes Mittel. Der Brennnesselsaft vermischt mit Olivenöl und vor dem zu Bett gehen zuerst auf Brust und dann auf die Schläfen aufgetragen soll, nach Hildegard von Bingen, gegen Vergesslichkeit wirksam sein. Matthiolus beschrieb die Brennnessel als hilfreich bei Seitenstechen, übermäßiger Monatsblutung, Nierensteinen, Nierengriess und fressenden Geschwüren.
Als nicht nur in Europa heimisches Gewächs ist die Brennnessel auch anderen Kulturen bekannt. In Indien hielt man die Brennnessel für ein Symbol von Vasuki, dem König der Schlangen, und verwendete sie bei Nierenleiden, Fieber und zur Blutstillung.
Neben der Verwendung als Heil-, Nahrungs- und Futterpflanze kultivierte man Brennnesseln und braute aus ihnen ein Bier gegen Rheuma, verwendete es als grünes Färbemittel und nutzte die Fasern der Brennnesseln zum Bau von Fischernetzen und Tüchern.
Botanik
Brennnessel ist ein Oberbegriff, der mehrere Arten umfasst. Die bekanntesten Vertreter sind die Große Brennnessel Urtica dioica und die Kleine Brennnessel, Urtica urens.
Die große Brennnessel ist ein ausdauerndes Kraut mit 4-kantigem Stengel, gegenständigen Blättern und freien Nebenblättern. Sie blüht vom Juli bis zum Herbst und ist häufig am Waldrand, Gebüschen und Gärten anzutreffen. Aus ihren Fasern stellte man früher Nesseltücher und Papier her.
Die kleine Brennnessel, Urtica Urens, ist eine einjährige Pflanze. Sie hat kleinere, eiförmige, grob gesägte Blätter und blüht vom Mai bis in den Herbst hinein. Man findet sie oft an Wegrändern.
Für die unangenehmen Verbrennungen die bei dem Kontakt mit Brennnesseln entstehen, sind die sogenannten Brennborsten verantwortlich. Bei Kontakt entsteht eine mikroskopisch kleine Wunde in der Haut, durch die der Saft der Borstenzellen in die Haut gelangt und zu einer Entzündung führt. Unter den Brennnesseln gibt es geradezu gefürchtete Vertreter. So gibt es tropische Brennnesseln, deren Nesselwirkung nach Kontakt jahrelang anhalten, wie beispielsweise Urtica urentissima, das Teufelsblatt, eine auf Timor anzutreffende Brennnessel.
Bezeichnungen
Der Name Brennnessel bezieht sich auf die brennenden Haare der Brennnessel. Nach Eugen Dornung könnte es sich bei der Bezeichnung Nessel um einen aus dem Volksmund stammenden Begriff für nicht durch Hitze hervorgerufenes Brennen handeln.
Wissenschaftlich wird die Brennnessel unterschieden. Die bei uns wichtigsten Arten sind die Grosse Brennnessel, die als Urtica dioica und die Kleine Brennnessel, welche als Urtica urens bezeichnet wird. Sowohl die Gattungsbezeichnung Urtica als auch die Artbezeichnung urens leiten sich vom lateinischen Wort für brennen ? urere ab. Die Artbezeichnung dioica bedeutet, dass es sich um eine zweihäusige Pflanze handelt, die entweder nur Blüten mit Staubbeuteln (männlichen) oder Blüten mit Stempeln (weiblichen) Geschlechtsorganen trägt.
Weitere volkstümliche Bezeichnungen für die Brennnessel sind Habernessel, Estekraut, Esselkraut, Scharfnessel und Tausendnessel.
Indikationen
Traditionell nutzt man, aufgrund der blutstillenden Eigenschaften, einen Dekokt bei Blutungen jeglicher Art. Darüber hinaus verwendet man Brennnesseln bei Wassereinlagerung in den Gelenken, Tuberkulose, chronischen Bronchialkatarrh, Gelbsucht, Hämorrhoiden, Verschleimung der Atmungsorgane, Halsverschleimung, Gicht, Nachtschweiss und als Haarwuchsmittel. Die Brennnessel wird nach Kosch als hilfreich zur Behandlung von harnsaurer Diathese, Nierenkoliken mit Steinabgang und Hämaturie beschrieben. Brennnesselsaft gilt als blutreinigend und wird eingesetzt bei Epistaxis, Anämie, Chlorose, Ekzemen und Xerophtalmie. Hieronymus Bock beschreibt die Verwendung der Brennnessel bei Wunden. Dazu sollen Brennnesselblätter in Salz gekocht werden und anschließend in Form eines Pflasters verwendet werden.
Verwendung in der Homöopathie
In der Homöopathie wird die Brennnessel bei Bläschenausschlag, Weißfluss mit unregelmässiger Periode und Galaktorrhö angewendet. Äusserlich bei Verbrennungen.
Brennnessel Anwendung und Wirkung
Brennnesseln werden oft erfolgreich zur Behandlung von Harnwegserkrankungen eingesetzt, deren Ursache eine vergrösserte Prostata oder eine verringerte Herz- Nierentätigkeit ist. Brennnesseltee ist ein Hausmittel bei Arthritis, Gicht, Kurzatmigkeit, Bronchitis, Ekzemen und Hämorrhoiden.
Zur Behandlung von Keuchhusten und Rachenentzündungen, trocknet man die Brennnesselwurzeln, mahlt sie und kocht das so erhaltene feine Pulver mit Zucker zu einem violetten Sirup.
Mit einem Aufguss aus Brennnesseln senkt man den Blutzuckerspiegel und den Blutdruck. Aufgüsse aus Brennnesseln finden allgemein bei Anämie, Diabetes und zur Abschwächung von Gebärmutterblutungen Verwendung.
Aus zerdrückten Brennnesselblättern werden Breiumschläge zur Linderung von Verbrennungen, Wunden, Furunkeln und Neuralgien hergestellt.
Fussbäder aus Brennnesseln helfen gegen Rheuma.
Bei Asthma und Bronchitis hilft eine Inhaltaion von verbrennenden Brennnesseln. Als Gurgellösung lindern Brennnesseln Zahnschmerzen. In Gesichtsmasken fördern Brennnesseln ein reines Hautbild und ein Saft aus Brennnesseln ist ein wirksames Mittel um Schuppen auf der Kopfhaut zu entfernen.
Mischt man Brennnesseln mit Wasser und lässt diese Mischung ein paar Tage warm stehen, erhält man Brennnesseljauche. Ein geschätztes Düngemittel und Schädlingsbekämpfungsmittel für Pflanzen. Problematisch ist hierbei jedoch die richtige Dosierung zu finden.
Brennnesseltee aus Blättern
Für einen Tee nimmt man einen Teelöffel Brennnesselblätter und 150ml kochendes Wasser. Kosch empfiehlt täglich 3 Tassen Brennnesseltee. Der Tee löst Verschleimungen, regt den Stoffwechsel an, wirkt reinigend und harntreibend.
Brennnesselblätter mit Wacholder und Breitwegerich gekocht wurde in der Volksheilkunde bei Magen- und Darmgeschwüren verabreicht, stündlich einen Schluck warmen Tee. Als Gurgelwasser soll sich dieser Tee bei Halsverschleimungen als heilsam erwiesen haben.
Brennnesseltee mit Tausendgüldenkraut, Sauerampfer und Spitzwegerich hat sich besonders als Frühjahrskur und zur Blutreinigung bewährt.
Äusserlich wird die Brennnessel insbesondere bei Rheuma angewendet indem die betreffenden Stellen mit Brennnesseln ausgepeitscht werden.
Brennnesseltee aus der Wurzel
Ein Tee aus der Wrzel wirkt stärker als der Tee aus den Blättern. Für einen Brennnesseltee aus der Wurzel lässt man einen Teelöffel klein geschnittene Brennnesselwurzel in 150ml kalten Wasser 6 Stunden mazerieren. Anschliessend wird die Lösung kurz aufgekocht und gefiltert.
Brennnesselsaft
Saft erhält man durch auspressen der frischen Brennnesseln. Brennnesselsaft wird als besonders hilfreich bei Beschwerden mit den Atmungsorganen beschrieben. Er ist ein gutes harntreibendes Mittel.
Brennnesselwein
Für einen Wein werden Brennnesseln in Wein gekocht. Der Wein galt als lindernd bei Asthma.
Brennnessel als Würz- und Nahrungsmittel
Brennnesseln mit Petersilie vermischt und klein gehackt ergibt ein sehr gutes Gewürz, das früher gern für Klöße verwendet wurde. Gekochte Brennnesseln wurden als Geschmacksträger Suppen beigemischt. In Salzwasser gekocht und wie Spinat zubereitet ist die Brennnessel ein sehr vitamin-, basen- und eisenhaltiges Gemüse, das insbesondere bei Anämie verabreicht wurde.
Haarwasser
Für ein ausgezeichnetes Haarwasser auf Basis von Brennnesseln werden vier Hände voll getrockneter, fein geriebender Brennnesselblätter mit einem Liter guten Essig 15 Minuten lang gekocht und nach dem Erkalten durchgeseiht. Das so erhaltene Haarwasser wird mit einer handvoll klein geschnittener Brennnesselwurzel und Klettenwurzel nochmals 30 Minuten gekocht. Zur Haltbarmachung wird zu einen Liter Haarwasser 100g Spiritus hinzugefügt. Bei regelmäßiger Nutzung dieses Haarwassers wird empfohlen, ein bis zwei mal wöchentlich die Kopfhaut mit Klettenwurzelöl einzureiben, weil sonst das Haar spröde wird.
Rezepte nach Madaus 1938
Brennnessel bei Gicht, Rheuma und Agalaktie:
- Rp.:
1 Teelöffel voll wiegt 1,2 g. Der Ansatz des Tees erfolgt auf Grund dieser Ergebnisse zweckmäßig heiß unter Verwendung von 1-2 Teelöffel voll auf 1 Teeglas.).
Brennnessel bei Rheuma (nach Tschirner):
- Rp.:
Brennnessel bei Haarausfall (nach Dinand):
- Rp.:
Brennnessel bei Nierengrieß (nach Tschirner):
- Rp.:
Brennnessel bei Hämorrhagien (nach Wittlich):
- Rp.:
Brennnessel als Frühjahrskur (nach Kroeber):
- Rp.:
Die Verwendung der Brennnessel in der russischen Volksheikunde nach Madaus 1938
Bei Steinschmerzen gab man früher Knoblauch und Nesselsamen mit Branntwein gekocht.
Die trockene zerriebene Brennessel wird mit Schwarzbrot bei Durchfällen mit Tenesmen gegessen.
Im Gouvernement Poltawa wird das pulverisierte Kraut der Großen Brennnessel bei Menstruationsverhaltung, ein Aufguß von der getrockneten Kleinen Brennnessel den skrofulösen Kindern eingegeben.
Im Gouvernement Woronesch werden die fein zerschnittenen Blätter der Kleinen Brennnessel bei Schwindsucht gegessen.
Im Gouvernement Wladimir wird eine Brennesselabkochung bei Steinkrankheiten eingenommen.
Bei Cholera reibt und schlägt man den Kranken mit dem Kraut, um ihn zu beleben.
Im Gouvernement Perm gilt die Brennessel für ein gutes antifebriles Mittel: ihre Abkochung wird innerlich und zu Einreibungen des Kranken verwendet. Die Große Brennnessel soll bei Brust-, Steinkrankheit und Lähmung dienlich sein. Der frische Saft der Kleinen Brennnessel wird bei Blutungen getrunken.
Nach Annenkow werden Brennnesselblätter bei Blutungen aller Art, beginnender Schwindsucht und bei Durchfällen innerlich gebraucht. Die Wurzel und die Samen dienen dem Volke als ein Stopf- und Wurmmittel.
Im Gouvernement Mohilew werden die frischen Brennesselblätter bei Lähmungen und Cholera äußerlich als Analeptikum gebraucht. Der Saft hiervon wird bei Brustkrankheiten getrunken.
Eine Abkochung von Urtica dioica wird im Kaukasus bei Tripper eingenommen; die gekochten heißen Blätter legt man auf das angeschwollene heiße Glied.
Brennnessel in der heutigen Medizin
Der Brennnessel wird aus Sicht der heutigen Medizin eine harntreibende und entzündungshemmende Wirkung zugesprochen.
Gegenanzeigen und Nebenwirkungen
Berührung mit Brennnesseln kann Quaddeln, die mit Jucken und Brennen verbunden sind, verursachen. Bei grösseren Verbrennungen wirken Schwefelbäder lindernd. Kleinere Verbrennungen können mit Wegerichsaft gelindert werden.
Grössere Mengen einer konzentrierten Brennnessel-Abkochung können zu Magenreizungen und Nierenschädigung – Ödemen führen. Madaus stellte in der Grossen Brennnessel eine grosse Menge giftigen Eiweißes fest. Die letale Dosis dieses Eiweißes betrug bei Mäusen 10mg.
Anbieter und Preis
Brennnesseln kann man leicht selber sammeln. Sie gilt als Unkraut und ist leicht in Gärten, auf Schutt und an Wegrändern zu finden. Es kann die ganze Pflanze gesammelt werden, die im Juni kurz vor der Blüte, eine handbreit über dem Boden abgeschnitten wird. Möchte man nur die Blätter verwenden, werden diese nach unten hin abgezupft.
Alternativ kann man eine Vielzahl von Brennnesselprodukten nahezu überall kaufen. Der Kräuterfachhandel bietet Blätter, Wurzel, Samen, Blättertinktur, Wurzeltinktur und Extrakte zum Kauf an. Der Preis für Brennnesselblätter liegt für 100g bei durchschnittlich 2 Euro. In Bioqualität bei ca. 4 Euro. Brennnesselsamen werden für durchschnittlich 3 Euro je 100g zum Kauf angeboten. Brennnesselwurzel kostet durchschnittlich 3 Euro je 100g. Brennnesseltinkturen liegen preislich bei durchschnittlich 6,50 Euro je 100ml.
Inhaltsstoffe
Brennnesseln weisen einen hohen Gehalt an Vitalstoffen auf. So findet man in der Brennnessel in vergleichsweise grossen Mengen Vitamin A und C, Magnesium, Phosphor, Kalium, Kupfer, Eisen und Salicylsäure. Darüber hinaus Lecithin, Sekretin, Gerbstoffe, Ameisensäure, Wachs, Calciumnitrat, Kieselsäure, Flavonoide, Phenolcarbonsäuren, Amine wie Acetylcholin, Histamin und Serotonin. In der Wurzel Lignane, ß-Sisterol, das Lectin Urtica-diocica-Agglutinin, Polysaccharide und Scopoletin. In den Samen reichlich fettes Öl mit einem hohen Anteil an ungesättigten Fetten, insbesondere Linolsäure, Vitamin E und Schleimstoffe.
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