Das Lungenkraut führte historisch gesehen ein Schattendasein. Im antiken Schrifttum sucht man es vergeblich und auch im Mittelalter fand das Lungenkraut als Heilpflanze kaum Beachtung. Einzig Hildegard von Bingen führt im 12. Jahrhundert ein Kraut namens Lungenwurtz auf, von dem sie meint, dass es nicht sehr nützlich sei, einzig wirkungsvoll bei der Behandlung von bestimmten Lungenleiden.
Ob es sich beim Lungenwurtz um unser Lungenkraut handelt, ist aus Sicht von Madaus fraglich. Aus meiner Sicht spricht jedoch vieles dafür. Zumal auch Matthiolus es im 16. Jahrhundert sowohl als Lungenkraut als auch als Lungenwurtz aufführt.
Bock schrieb später über die kleine Walwurtz, einer Heilpflanze, die dem Lungenkraut nicht unähnlich scheint. Die ersten eindeutigen Beschreibungen über diese Heilpflanze liefern die Kräuterbücher von Matthiolus, Lobelius und Tabernaemontanus aus dem 16. Jahrhundert. Letzterer widmet der Wirkung jedoch nur einen kurzen Absatz und bezieht sich dabei auf Lobelius und Matthiolus.
Richtig beschrieben und für gut befunden wurde diese Heilpflanze von dem Botaniker Rudolf Jakob Camerarius. Er widmete ihr eine Beschreibung im Matthiolischen Kräuterbuch und empfahl es bei Lungenleiden. Camerarius schreibt über das Lungenkraut:
Obwohl die Beschreibung der Heilwirkung auf unser Lungenkraut zutreffen könnte, passt die zuvor durch Camerarius aufgeführte Beschreibung der Pflanze nicht zu unserer Pflanze. Gleich im Anschluß führt Camerarius jedoch ein anderes Kraut auf. Er nennt es Pulmonaria altera. Bei dieser Pflanze handelt es sich eindeutig um die heute wissenschaftlich als Pulmonaria officinalis bezeichnete und uns allgemein als Lungenkraut bekannte Heilpflanze. Camerarius schreibt über sie:
In der Folgezeit wurde das Lungenkraut zwar oft beschrieben, aber nie einvernehmlich geschätzt. So lobt Hofrat Pitschaft, ein Mitarbeiter Hufelands, das Lungenkraut als vorzügliches Mittel bei Lungenkatarrhen, starken Ausflüssen, Lungensüchten und chronischen Blutungen. Eine Aussage, die von Aschner unterstützt wird. Laut Aschner ist ein positiver Einfluß des Lungenkrauts auch bei ernsteren Lungenerkrankungen erwiesen. Er empfiehlt die Heilpflanze bei gleichzeitigen Zeichen von Hitze hektischer Röte und örtlichen Entzündungserscheinungen. Demgegenüber sieht Leclerc keinerlei positive Wirkung auf die Atmungsorgane. Die Wirkung ist bis heute umstritten. Zumal Lungenkraut meist in Kombination mit anderen, auf die Atmungsorgane heilend wirkenden, Heilpflanzen verabreicht wird. In der Volksheilkunde hat sich das Lungenkraut jedoch bewährt, insbesondere bei Halsentzündung, Blutspeien, Entzündung der Brust, Heiserkeit, Husten und Rachen- und Bronchialkatarrh. Bei Erkrankungen der Lunge wurden und werden meist Mischungen verabreicht, bei denen diese Heilpflanze einen Bestandteil bildet.
Botanik
Der Name Lungenkraut bezeichnet aus wissenschaftlicher Sicht eine Gattung, die zur Familie der Raublattgewächse gehört. Der Gattung der Lungenkräuter gehören 14 Arten an, von denen das Echte Lungenkraut, Pulmonaria officinalis, der bekannteste Vertreter ist. In der Volksheilkunde wird vor allem das Echte verwendet. Daneben findet auch das Dunkle, Pulmonaria obscura, Verwendung, das sich hauptsächlich dadurch vom Echten unterscheidet, dass es keine Flecken auf den Blättern aufweist.
Das Echte Lungenkraut hat einen waagerechten, kriechenden Wurzelstock, aus dem im März blütenlose Triebe mit am Grunde rosettig, herz- bis eiförmigen, gestielten, zugespitzt, stark behaarten Blättern, brechen. Die Stengelblätter sitzen wechselständig und sind länglich-eiförmig, weich, kurzhaarig-rauh, leicht rötlich bis leicht bläulich und mit vielen hellen Flecken besprengelt. Die im März und April gebildeten Blüten erinnern an die der Schlüsselblumen. Die trichterförmigen Blüten des Lungenkrauts sind in jungem Stadium rosenrot, später blauviolett.
Bezeichnungen
Viel spricht dafür, dass sich der Name Lungenkraut im Zuge der Signaturenlehre von den gefleckten Blättern ableitete. Auch die Blüten, die sich von rot nach blau färben und so dem Kreislauf des Blutes entsprechen, könnten zur Namensgebung beigetragen haben. Mir fällt es schwer, über die Blätter eine Beziehungen zur Lunge herzustellen. Vielmehr erinnern mich die nicht wirklich ansehnlichen Blüten an die Lunge. Nicht ihrer Form wegen, sondern aufgrund der feinen sichtbaren Verästelungen.
Wissenschaftlich bezeichnet man die Pflanze als Pulmonaria officinalis. Die Gattungsbezeichnung Pulmonaria stammt aus dem lateinischen, lat. pulmo -> Lunge. Die Art officinalis zeigt an, dass es sich beim Lungenkraut um eine Heilpflanze handelt, lat. officina -> Apotheke.
Volkstümliche Namen sind Lungenwurz, Fleckenkraut, Lungenwurz, Backkraut, Bockskraut, Frauenmilchkraut, Hirschkohl, Hirschmangold, Blaues Schlüsselblumenkraut, Milch der heiligen Maria, Unser Frauen Milchkraut, Tag- und Nacht Blüml, Fleisch und Blut, Bayern und Franzosen. Letztere Bezeichnungen beziehen sich auf die zwei verschiedenen Farben der Blüten.
Indikationen
Kulturhistorisch ist das Lungenkraut eine Kieselsäuredroge. Es wurde bei Halsbeschwerden, Bronchial- und Lungenleiden, Bronchialkatarrh, Bronchitiden, Halsentzündung, Heiserkeit, Tuberkulose, Hämoptyse (Bluthusten), Blasensteinen sowie Ruhr und Hämorrhoiden verwendet. Äußerlich wurde es zur Wundbehandlung eingesetzt.
Verwendung in der Homöopathie
In der Homöopathie nutzt man das Krautbei Lungentuberkulose, Rachenkatarrh, Kehlkopfkatarrh, Bronchialkatarrh, Luftröhrenkatarrh, Bluthusten und Blutharnen.
Lungenkraut Anwendung und Wirkung
Die jungen Blätter werden traditionell wie Salat zubereitet oder finden als spinatartiges Gemüse Verwendung. Für Heilanwendungen nutzte man die getrockneten Blätter. Aus ihnen wurde meist ein Tee bereitet. Gegen innere Verschleimung nutzte Kneipp eine Mischung aus Liebstöckel, Spitzwegerich und Lungenkraut zu gleichen Teilen. Traditionell wird auch ein Presssaft aus den frischen Blättern hergestellt.
Lungenkrauttee
Lungenkrauttee wurde eine ähnliche Wirkung zugeschrieben, wie Spitzwegerichtee. Er übt eine gut lösende und milde Wirkung auf die Atmungsorgane aus. Für einen Lungenkrauttee überbrüht man 30g getrocknete Lungenkrautblätter mit 1 Liter kochenden Wasser. Von diesem Tee nimmt man traditionell bei oben aufgeführten Beschwerden, morgens und abends eine Tasse.
Bei Erkrankung der Lunge wurde diese Heilpflanze mit anderen Heilkräutern gemischt. So empfiehlt Oertel eine Mischung aus Lungenkraut, Eibisch, Hohlzahn, Huflattich und Spitzwegerich.
Lungenkrautsaft
Für einen Lungenkrautsaft werden die frischen Blätter ausgepresst. Der Saft wird mit Honig vermischt. Er wirkt genauso wie der Lungenkrauttee. Dinand empfiehlt mehrmals täglich einen Teelöffel Saft bei Beschwerden.
Rezepte nach Madaus 1938
Lungenkraut bei Lungen- und Bronchialleiden:
- Rp.:
1 Teelöffel voll wiegt 1,1 g. Man bereitet den Tee zweckmäßig heiß mit 2 Teelöffeln voll auf 1 Teeglas.).
Lungenkraut bei Erkrankungen der Lunge und Hämoptoe als Adjuvans (nach Retsch):
- Rp.:
Lungenkraut in der evidenzbasierten Medizin
In der evidenzbasierten Medizin räumt man dem Lungenkraut eine reizlindernde und schwach auswurffördernde Wirkung ein. Sie wird auf den Gehalt an Schleimstoffen zurückgeführt. Die äußerliche Anwendung als Wundheilmittel wird heute durch die evidenzbasierte Medizin gestützt. Als wirksam wird das enthaltene Allantoin angesehen.
Gegenanzeigen und Nebenwirkungen
Vereinzelt finde man den Hinweis, dass diese Pflanze, wie bei anderen Raublattgewächsen nachgewiesen, giftige Pyrrolizidinalkaloide enthalten würde. Eine Behauptung, die nicht stimmt. Für das Lungenkraut bestehen bei massvoller Verwendung keine Nebenwirkungen.
Anbieter und Preis
Lungenkraut kann man selber sammeln. Man findet diese Staude bevorzugt in Laubwäldern, Gebüschen und allgemein an schattigen und feuchten Orten. Der Kräuterhandel bietet die Pflanze und Zubereitungen daraus zum Kauf an. 100g Lungenkraut kann man zu einem durchschnittlichen Preis von 3,50 Euro kaufen. 100ml Lungenkrauttinktur bekommt man zu einem durchschnittlichen Preis von 7,50 Euro.
Inhaltsstoffe
Schleimstoffe, insbesodere Polygalacturonane, Flavonoide, Gerbstoffe, viel Kalium und Calcium, 4% Kieselsäure, Fett, Cerylalkohol, Phytosterin, Harze, Phlobaphene, Invertzucker, Polysaccharide, Allantoin, Chlorogensäure, Rosmarinsäure.
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