Bereits im 1. Jahrhundert beschrieb Plinius die Melisse als Heilpflanze gegen Hysterie und Hypochondrie. Dioskurides empfahl die Melisse zur selben Zeit als gynäkologisches Mittel. Eine Verwendung, die auch im ersten, in deutscher Sprache geschriebenen, Kräuterbuch aus dem 15. Jahrhundert – Hortus sanitas, gart der gesundheit – aufgegriffen wird, indem man die Melisse als vorzügliches Kraut zur Behandlung von Frauenleiden rühmt. Wen verwundert es da, dass der Volksmund der Melisse Namen wie Frauenkraut oder Mutterkraut gab.
Im 16. Jahrhundert findet man die Heilpflanze in den Kräuterbüchern von Loenhart Fuchs und Hieronymus Bock. Letzterer schreibt über sie:
Seit dieser Zeit erscheint die Melisse in den Heilbüchern und wird Bestandteil von Geheimmitteln. Eines dieser Geheimmittel war der Karmelitergeist, den die barfüßigen Karmeliter 1611 als Spiritus melissae compositus – Melissengeist – in Umlauf brachten. Seine Zutaten sind Melisse, Zitronenschale, Koriander, Muskatnuss, Nelken, Sternanis, Zimt und Kornbranntwein. Karmelitergeist galt als hilfreich bei Nausea, leichter Ohnmacht, Magenstörungen und als linderndes Einreibemittel bei Rheuma. Heute sucht man vergeblich nach Melisse im Karmelitergeist. Stattdessen wird wesentlich billigeres Citronellöl verwendet.
Botanik
Die Melisse ist eine ausdauernde, bis zu einem Meter hohe Pflanze aus der Familie der Lippenblütler mit verzweigten Stengel und gegenständigen, eiförmigen, grob gesägten Blättern mit Stiel. Die sich von Juni bis September entfaltenden Blüten sind weiß und bilden Halbquirle.

Bezeichnungen
Die Bedeutung der Bezeichnung Melisse ist ungewiss. Sie könnte sowohl aussagen, dass es sich bei der Melisse um eine Pflanze mit Zitronengeruch handelt, persisch melissa -> Zitronengeruch, als auch dass es sich bei der Melisse um eine Pflanze handelt, die gerne von Bienen besucht wird, griech. melissa -> Honigbiene. Für die letztere Variante würde sprechen, dass bereits Dioskurides die Melisse als melissophyllon -> Bienenblatt bezeichnete, weil die Melisse den Bienen angenehm sei. Auch wurde sie schon im Altertum als Bienenfutterpflanze kultiviert, so dass ich dazu geneigt bin, den Ursprung für die Namensgebung im Griechischen zu sehen.
Wissenschaftlich wird die Melisse als Melissa officinalis bezeichnet. Die Bedeutung der Gattungsbezeichnung Melissa dürfte jetzt eindeutig sein. Die Artbezeichnung officinalis weist sie als Heilpflanze aus, lat. officina -> Apotheke.
Für die Melisse gibt es viele volkstümliche Namen. Nur einige sollen hier der Übersicht halber aufgeführt werde, als da wären Frauenkraut, Mutterkraut, Zitronenmelisse, Gartenmelisse, Zitronelle, Herzkraut, Bienblatt, Bienenkraut, Herztrost, Honigblatt, Immenblatt, Muttertee, Pfaffenkraut, Wanzenkraut, Frauenwohl oder Römische Melisse.
Indikationen
Die Verwendung der Melisse in der traditionellen Heilkunde ist vielfältig. Aufgrund ihrer belebenden, schweiß- und windtreibenden Wirkung ist sie zu einer Art Universalheilmittel geworden. Man nutzt sie als Beruhigungsmittel bei Herzklopfen und nervösen Schwächezuständen, bei krampfhaften Erbrechen und Darmkatarrh, krampfartigen Magenbeschwerden, Asthma, Beklemmungszuständen der Brust, mangelnder, von krampfartigen Schmerzen begleiteter Menstruation, Schlaflosigkeit, nervösen Schmerzzuständen, Blähungen, Durchfall, Insektenstichen, Erkältung, Hysterie, Hypochondrie, Melancholie, Unterleibskrämpfen, Amenorrhö, Anämie, Dysmenorrhö, Ohrensausen, Schwindel. Desweiteren zur Anregung der Galle. Melissenspiritus wird traditionell zur äusserlichen Einreibung bei Muskelschmerzen, Herpes simplex, Gelenkschmerzen und Kopfschmerzen empfohlen. Die frischen Melissenblätter dienen als Kompressen und Auflagen bei Geschwüren, Geschwülsten, Quetschungen und Milchknoten der Brust. Melissenbäder und Waschungen werden als hilfreich zur Stärkung der Nerven beschrieben. Mit Kopfdampfbädern linderte man Migräne.
Verwendung in der Homöopathie
Die Indikationen in der Homöopathie entsprechen im gro den bereits aufgeführten, traditionellen Anwendungsgebieten.
Melisse Anwendung und Wirkung
Verwendet werden die kurz vor der Blütezeit oder nach der Blütezeit gesammelten Blätter der Melisse die man schnell an der frischen Luft trocknen lassen sollte. Melissenblätter können nicht länger als 1 Jahr aufbewahrt werden, da das in ihnen enthaltene ätherische Öl Zitral sich leicht verflüchtigt. Die getrockneten Melissenblätter werden meist als Melissentee verarbeitet. Darüber hinaus wird Melisse sehr vielseitig verwendet. Aufgrund des starken, angenehmen Geruchs der Melisse, wird sie oft für stärkende Bäder und Waschungen benutzt oder in Form von Riechkissen bzw. Duftkissen gebraucht. Als stark wirksames Allheilmittel gilt in der traditionellen Heilkunde Melissenwein. Dazu werden 10g Melissenblätter 5 Minuten in einem viertel Liter Weißwein gekocht. Weitere Verwendungen sind Melissengeist (Extrakt), Melissenöl, Karmelitergeist und Melissentinktur.
Melissentee
Für einen Melissentee werden ein bis 10g Melissenblätter mit 500ml kochenden Wasser überbrüht und anschließend 15 Minuten stehen gelassen. Zwei bis drei Tassen Melissentee wird in der Volksheilkunde bei Anämie, Hysterie, Melancholie, Verdauungsstörung, Gebärmutterkrämpfen, Magenkrämpfen, Blähungskoliken, nervösen Zahn-, Ohren- und Kopfschmerzen, sowie leichten Nervenleiden empfohlen. Für letztere Indikation empfiehlt Oertel eine Mischung aus Melisse, Kalmus und Minze im Verhältnis 1:1.
Eine Mischung zu gleichen Teilen aus Melisse, Krausminze, Ysop und Salbei ergibt einen sehr guten Abendtee.
Melissengeist
Um einen Melissengeist zu erhalten, wird 1 Teil Melissenblätter mit 3 Teilen Alkohol und 3 Teilen Wasser vermischt und 2 Tage in der Wärme stehen gelassen. Anschliessend wird der so erhaltene Melissengeist filtriert und in dunkle Gefäße abgefüllt. Von diesen Melissengeist werden traditionell 3 bis 4 mal täglich 30 Tropfen oder ein Teelöffel bei unter Indikationen beschriebenen Beschwerden gereicht. Äußerlich dient er zur Einreibung bei rheumatischen Beschwerden, Quetschungen und Insektenstichen. Für die äußerliche Anwendung dienen auch frisch zerdrückte Melissenblätter. Sie wirken bei Insektenstichen ähnlich wie Wegerichblätter, wobei allein schon wegen der Verfügbarkeit der Wegerich vorzuziehen ist.
Melissenwein
Für einen Melissenwein werden 10g Melissenblätter 5 Minuten in einem viertel Liter Weißwein gekocht. Dinand empfiehlt die Mazeration statt das Kochen, dem ich mich aus Erfahrung nur anschliessen kann.
Rezepte nach Madaus 1938
Melisse als Karminativum (nach Rost-Klemperer):
- Rp.:
Melisse bei Verdauungsstörungen der Neurastheniker (nach Fischer):
- Rp.:
Melisse bei nervösen Schwächezustände:
- Rp.:
1 Teelöffel voll wiegt 1,6 g. Der Tee wird zweckmäßig heiß mit einem gehäuften Teelöffel auf 1 Teeglas angesetzt.).
Melisse als galletreibendes Mittel (nach Meyer):
- Rp.:
Melisse bei nervösen Herzleiden (nach E. Stieber):
- Rp.:
Melisse als Karminativum mit Abführmittel (nach Ewald und Heffter):
- Rp.:
Melisse bei Amenorrhöe (nach Meyer):
- Rp.:
Melisse in der evidenzbasierten Medizin
In der evidenzbasierten Medizin hat man für die Melisse eine beruhigende, leicht krampflösende, blähungstreibende, antibakterielle, virenhemmende, gallenproduktion fördernde Wirkung bestätigt.
Gegenanzeigen und Nebenwirkungen
Bei massvoller Dosierung sind keine Nebenwirkungen bekannt.
Anbieter und Preis
Melisse gibt es im Handel in allen nur erdenklichen Ausführungen zu kaufen. Im Kräuterhandel kosten 100g Blätter im durchschnittlich 3,50 Euro. Melissenblättertinktur wird für durchschnittlich 10 Euro je 100ml zum Kauf angeboten.
Inhaltsstoffe
Gerbstoffe, Schleim, 4% Bitterstoffe, Harz, ätherisches Öl mit Citral, Citronellal, Geraniol, Linalool, Glykoside, Saponine, Flavonoide.
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